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Von Alfred Kniffler, Reichsbahnrat, München, erschienen in Elektrische Bahnen, Zentralblatt für den Elektrischen Zugbetrieb, Heft 6/1940, Seiten 194—198


Am 12. November 1940 wurde von der Reichsbahndirektion Berlin der 1000. Viertelzug für die Berliner S-Bahn in Betrieb gesetzt. Dieses Ereignis verdient besondere Erwähnung, da selbst für Großbetriebe des Nahverkehrs eine solche Anzahl von Fahrzeugeinheiten außergewöhnlich ist.

Die Anzahl 1000 gibt allein durch ihre Höhe schon einen Begriff von der Verkehrsarbeit, die tagtäglich von der Deutschen Reichsbahn auf dem verhältnismäßig kleinen Berliner Raum mit seiner großen Fülle schaffender Volksgenossen geleistet wird. Für den weitaus größeren Teil der Fahrgäste aus der Reichshauptstadt und ihrer Umgebung, aber auch für die Benutzer aus dem übrigen Reich ist die Berliner S-Bahn eine Einrichtung, deren Dasein als selbstverständlich gilt. Sie wird in ihrem gewohnten, pünktlichen und sicheren Betrieb als eine alltägliche Erscheinung angesehen. Erst der nicht mehr ganz regelmäßige Ablauf des Verkehrsbetriebes, wir er z. B. durch die Auswirkungen des außergewöhnlich schweren Winters 1939/40 verursacht wurde, gab jedem Beteiligten schlagartig zu erkennen, welche ungeheure Bedeutung dieses Verkehrsmittel hat, und wie weit es bis in das tiefste öffentliche und private Leben der Reichshauptstadt und ihrer Bewohner hineinstrahlt.

Dem schaffenden Ingenieur jedoch ist diese Zahl 1000 mit Recht ein Gedenkstein. Sie lässt ihn erkennen, welche Unsumme von Werksmannarbeit in ihr verkörpert ist. Sie soll ihm aber auch Veranlassung sein, einmal zu rasten und zurückblickend das bisher Geleistete stolz zu überschauern, um sich dann mit frischen Kräften den immer neuen Aufgaben zuzuwenden.

Die Elektrisierung der Berliner S-Bahn in ihrer heutigen Gestalt begann in den Jahren 1924/25 mit der Umstellung der nördlichen Vorortstrecken vom Stettiner Bahnhof nach Bernau, Oranienburg und Velten. Die im Jahre 1924 beschafften Triebzüge müssen, vom Standpunkt der endgültigen Lösung aus gesehen, noch als Versuchszüge betrachtet werden, ebenso die des Jahres 1925, obwohl diese sich der endgültigen Bauart schon sehr stark nähern [1]. Die umfassende Umstellung des früheren Dampfbetriebes auf der eigentlichen Stadt- und Ringbahn mit ihren Ausläuferstrecken setzte im Jahre 1927 ein[2], damit auch die verstärkte Ablieferung von Triebzugeinheiten[3]. Entsprechend dem Fortschritt in der Umstellung und der Verkehrszunahme stieg die Zahl der neugebauten Viertelzüge immer mehr (Bild 1).

Im Jahre 1930 waren insgesamt 722 in Dienst gestellt. Die Krisenjahre brachten nur ein schwaches Anwachsen; erst im Jahre 1934 setzte der Anstieg in der Neubeschaffung von Viertelzügen für die Berliner S-Bahn wieder ein. Nach Auslieferung des jetzt in Arbeit befindlichen Beschaffungsprogramms 1939/40 werden 1036 Viertelzüge eingesetzt sein, eine Zahl, die sich nach Abwicklung der für das Jahr 1941 vorgesehenen Aufträge auf 1116 Viertelzüge erhöhen wird. Damit wird jedoch das Ende der Lieferungen nicht erreicht sein. Die dauernde Verkehrszunahme auf den S-Bahn-Strecken, die weitere Umstellung von Dampf- auf elektrischen Betrieb und der durch die Umgestaltung Groß-Berlins bedingte Bau neuer Strecken verlangen auch in Zukunft die Bereitstellung immer neuer Viertelzüge.

Es ist in diesem Zusammenhang lohnend, sich einmal die Zahlen der seit Beginn des elektrischen Zugbetriebes jährlich gefahrenen Zug-km und Viertelzug-km vor Augen zu führen (Bild 2).

Getrennte Aufschreibungen für die mit Dampf oder elektrisch betriebenen Strecken werden erst seit dem Jahre 1928 geführt. Das erste Jahr mit Vollbetrieb der bis dahin fertiggestellten elektrisierten Strecken ist 1929. In diesem Jahr wurden elektrisch 20.987.000 Zug-km gefahren. Diese Zahl stieg auf 23.727.000 Zug-km im Jahre 1930, um dann entsprechend der fortschreitenden Wirtschaftskrise abzufallen. Ab 1933 steigt die Linie erneut an. Der bisherige Höchstwert wurde im Jahre 1939 mit 28.728.000 elektrisch gefahrenen Zug-km erreicht.

Mit gleicher Tendenz, jedoch mit wesentlich größeren Schwankungen, ändern sich die auf die kleinste Fahrzeugeinheit - den Viertelzug - bezogenen Laufleistungen. Sie erreichten ihren erstmaligen Höchststand im Jahre 1930 mit 73.286.988 Viertelzug-km, sanken auf 66.744.665 im Jahre 1933, um dann als Folge der allgemeinen Wirtschaftsbelebung unaufhaltsam anzusteigen und 1939 die Zahl 100.451.000 zu erreichen. Es fällt auf, dass die Viertelzug-km wesentlich stärker schwanken als die Zug-km. Man erkennt daraus, dass der Betrieb auch in schlechten Zeiten bemüht war, die Zahl der Züge möglichst groß zu halten, um die bei S-Bahn-Betrieb erforderlich Zugdichte nicht zu unterschreiten. Dem verminderten Verkehrsanfall wurde durch eine Schwächung der Züge Rechnung getragen. Andererseits zeigen die Zahlen, der guten Verkehrsjahre (1939), dass der erhöhte Verkehrsanfall in erster Linie durch Verstärken der Züge aufgenommen wird. Demgemäß bestand ein Zug des Jahres 1933 im Durchschnitt aus 2,8 Viertelzügen, ein Zug des Jahres 1939 dagegen aus 3,5 Viertelzügen.

Die vorstehenden Zahlen lassen schon erkennen, dass der Fahrzeugpark der Berliner S-Bahn sehr gut ausgenutzt ist. Die Viertelzüge der Bahnbetriebswerke mit günstigen Zugläufen erreichen Fahrleistungen von 155.000 km im Jahr, bei Spitzenleistungen von 18.750 km im Monat und 750 km am Tag. Da jedoch entsprechend der Eigenart eines großstädtischen Nahverkehrs für die Aufnahme des außerordentlich starken Berufsverkehrs zahlreiche Fahrzeuge besonders vorzuhalten sind, die verhältnismäßig schlecht ausgenutzt werden, sind die mittlere monatliche Laufleistung sämtlicher im Betrieb befindlichen Viertelzüge auf 9.400 km, das sind rund 310 km je Tag. Jedoch hat auch diese Zahl für einen reinen Personen-Nahverkehr ohne irgendwelche Ausgleichsmöglichkeiten noch eine beachtliche Höhe.

Die gute Ausnutzung des Fahrzeugparks ist neben dem geringen Ausbesserungsbestand mit ein Hauptgrund für den wirtschaftlichen Erfolg der Elektrisierung der Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen, auf den im Schrifttum des öfteren hingewiesen wurde[4].

Der Viertelzug ist die Fahrzeugeinheit des Berliner S-Bahn-Verkehrs. Er bestand ursprünglich aus einem Triebwagen mit vier angetriebenen Achsen und aus einem mit ihm durch Kurzkupplung verbundenen Steuerwagen. Jeder Wagen hatte einen Führerstand, so dass dieser Viertelzug in jeder Fahrtrichtung als kleinste Zugeinheit benutzt werden konnte. Nach verhältnismäßig kurzer Zeit stellte sich jedoch heraus, dass bei den vorliegenden Verkehrsverhältnissen der alleinfahrende Viertelzug nur ganz vereinzelt eingesetzt wurde. Als kleinste Regeleinheit ergab sich vielmehr ein Zug aus zwei gekuppelten Viertelzügen, der Halbzug. Die beiden mittleren Führerstände solcher Halbzüge waren dauernd unbenutzt; sie konnten fortfallen, um wertvollen Fahrgastraum zu schaffen. Seit dem Jahr 1929 besteht der Viertelzug aus einem Triebwagen und einem Beiwagen ohne Führerstand, ebenfalls wieder durch eine Kurzkupplung miteinander verbunden. Zwei derartige Viertelzüge, mit den Beiwagen aneinandergesetzt, bilden nunmehr den Halbzug (Bild 3).

Wenn während der Verkehrsspitzen in den Morgen- und Nachmittagsstunden ein solcher Halbzug verstärkt werden muß, wird entweder mit Hilfe eines weiteren Viertelzuges ein Dreiviertelzug oder mit Hilfe eines weiteren Halbzuges ein Vollzug gebildet. Diese Grundformen in der Zugzusammensetzung der Berliner S-Bahn hatten sich - bedingt durch die Bedürfnisse des Betriebes und des Verkehrs - schon frühzeitig herausgestellt und sind unverändert bis heute erhaltengeblieben[5].

Die Berliner S-Bahn wird bekanntlich mit Gleichstrom und Stromzuführung durch dritte Schiene betrieben. Die Nennspannung an der Stromschiene wird zur Zeit von 750 auf 900 V erhöht. Die Nennstundenleistung der Fahrmotoren steigt durch diese Maßnahme von 90 auf 110 kW. Bild 4 zeigt das Leistungsschaubild des Triebwagens mit seinen vier Fahrmotoren.

Die Stundenleistung nach REB, jedoch mit Dauererwärmung, ist 440 kW bei 38 km/h und die Dauerleistung nach REB 310 kW bei 43 km/h. Die Höchstdrehzahl des Motors bei 80 km/h und halb abgenutzten Radreifen ist 2060 U/min. Das Erregerfeld kann in zwei Stufen geschwächt werden und mit einem Erregergrad von 70 und 50 % betrieben werden. Der Stundenstrom der Fahrmotoren ist 267 A. In das Leistungsschaubild ist gleichzeitig die bei der vorhandenen Einstellung des Stromwächters sich ergebende mittlere Anfahrleistung eingetragen. Der Stromwächter schaltet auf den Reihenstufen bei etwa 400 A weiter, auf den Parallelstufen jedoch nur mit etwa der Hälfte, so dass der dem Triebwagen insgesamt zugeführte Strom gleich bleibt. Der Einfluß der Feldschwächung ist ebenfalls zu erkennen. Die Leistung bei der Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h ist immerhin noch etwa 50 kW je Motor.

Das Zugkraftschaubild (Bild 5) zeigt den Verlauf der der Anfahrleistung entsprechenden Zugkraft. Die mittlere Anfahrzugkraft eines Triebwagens ist 8000 kg in der Reihenstellung des Schaltwerkes und 3600 kg in der Parallelstellung. Die Zugkraft bei Höchstgeschwindigkeit ist noch 900 kg. Mit diesen Zugkräften erreicht der vollbesetzte Zug (300 Personen je Viertelzug) seine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h nach 105 s Fahrzeit oder 1600 m Weg. Die Anfahrbeschleunigung ist etwa 0,85 m/s², die Anfahrbeschleunigung über den Räumweg von 160 m etwa 0,6 m/s². Bildet man einige Kennzahlen über die Leitungsfähigkeit des Viertelzuges, so ist die auf das Leergewicht des Viertelzuges bezogene Stundenleistung 6,9 kW/t, bezogen auf den vollbesetzten Zug ergeben sich 5,1 kW/t.

Die Strecke Potsdam—Erkner der Berliner S-Bahn hat eine Länge von 57,2 km. Die Zahl der Haltepunkte ist insgesamt 30, so daß die mittlere Haltestellenentfernung 1970 m beträgt. Die planmäßige Gesamtfahrzeit ist 75 min, die gesamt Aufenthaltszeit 14 min und damit die Reisezeit 89 min. Daraus ergibt sich eine Reisegeschwindigkeit von 38,5 km/h. Die eigentliche Stadtstrecke Westkreuz—Ostkreuz dieser Strecke Potsdam—Erkner ist 15,0 km lang. Sie hat 14 Haltepunkte mit einem mittleren Abstand von 1150 m. Die auf diesem Abschnitt erzielte Reisegeschwindigkeit ist 30,5 km/h.

Diese Zahlen gelten für die normalen Züge für 80 km/h Höchstgeschwindigkeit, die etwa 90 % des gesamten Bestandes bilden. Abgesehen von den älteren Versuchszügen sind dann noch 18 Viertelzüge vorhanden, die in ihrer Auslegung von den normalen Viertelzügen abweichen. Auf der S-Bahn-Strecke Potsdamer Bahnhof—Zehlendorf-Mitte verkehren einige Züge ohne Unterwegsaufenthalt. Dieser Streckenabschnitt erlaubt deshalb, höhere Geschwindigkeiten als sonst üblich anzuwenden und damit kurze Reisezeiten zu erreichen. Die Höchstgeschwindigkeit der D-Bahn-Züge beträgt hier 120 km/h. Die Fahrmotoren dieser Viertelzüge sind eine Weiterentwicklung der Motoren für 80 km/h. Bei gleichen äußeren Abmessungen gelang es durch Wahl höherer Drehzahlen, durch Einbau einer anderen Feld- und Ankerwicklung sowie durch entsprechende Ausbildung des Kommutators und der Kohlebürsten die Leistung des vorhandenen Motors um 55 % zu erhöhen. Im übrigen stimmt die elektrische Ausrüstung der Züge für 80 und 120 km/h Geschwindigkeit jedoch weitestgehend überein.

Die Triebzüge der Berliner S-Bahn sind seit dem Jahre 1927 in ihren wesentlichen Einzelheiten - Grundrissgestaltung, Form der Wagenkästen und Drehgestelle, Fahrmotoren, grundsätzlicher Schaltung - unverändert geblieben, ein Zeichen, dass damals weit vorrausschauend gedacht wurde. Entsprechend dem Fortschritt der Technik sind jedoch nach und nach Neuerungen[6] kleineren Umfangs eingeführt worden, die den grundsätzlichen Aufbau des wagenbaulichen und elektrischen Teils nicht beeinflußten und somit den Fließgang bei der Ausbesserung der Fahrzeuge nicht störten[7].

Die hieraus hervorgegangene heutige Ausführungsform soll im folgenden zusammengefasst kurz beschrieben werden (siehe Zusammenstellung).

 

Zusammenstellung    
Stromschienenspannung   900 V
Höchstgeschwindigkeit   80 km/h
Treib- und Laufraddurchmesser, neu
halbabgenutzt
abgenutzt
900 mm
875 mm
850 mm
Drehgestell-Achsstand   2.500 mm
Drehzapfenabstand Triebwagen
Beiwagen
11.975 mm
12.325 mm
Gesamte Länge über Puffer Triebwagen
Beiwagen
Viertelzug
17.605 mm
17.855 mm
35.460 mm
Zahl der Sitzplätze 2. Klasse
3. Klasse
34
85
Gesamtplatzanzahl je Viertelzug   300
Leergewicht eines Triebwagens
Beiwagens
Viertelzuges
38,2 t
29,0 t
67,2 t
Gewicht des wagenbaulichen Teil mit Zubehör   53,5 t
Gewicht der elektrischen Ausrüstung einschließlich Heizung 13,7 t
Anzahl der Fahrmotore   4
Gewicht der Fahrmotore ohne Getriebe und Zahnradschutzkasten 1.480 kg
Stundenleistung eines Fahrmotors   110 kW bei
38 km/h
Dauerleistung eines Fahrmotors   77 kW bei
43 km/h
Beleuchtungsspannung   48 V
Stromversorgung der Beleuchtung   Umformer und Batterie

Den wagenbaulichen Grundriß und die Ansicht eines neueren Viertelzuges zeigt Bild 6. Die nutzbare Länge der Fahrgasträume gegenüber den frühren Viertelzügen vergrößert worden, ohne dass sich die äußere Zuglänge änderte. Denn diese ist durch die einmal vorhandene Bahnsteiglänge festgelegt. Ebenso behielt man die altbewährte Aufteilung des Grundrisses bei. Die Nutzlänge jedes Viertelzuges wurde jedoch durch Verkleinerung des Zwischenraumes zwischen den Wagen und durch Hinausziehen des Wagenkastens über die Untergestelle um rund 800 mm vergrößert. Dieser Gewinn kam den einzelnen Abteilen zugute, deren Länge in der 2. Klasse von 1575 mm auf 1712 mm und in der 3. Klasse von 1575 mm auf 1616 mm stieg. Gleichzeitig erhielten die Fahrzeuge wesentlich größere Fenster und bequemere Sitze. Der Kopf des Zuges wurde in seiner Form verbessert. Er erhielt abgerundete Ecken und hat in seiner oberen Hälfte eine leicht abgeschrägte Stirnwand.

Eine weitgehende Neuerung war ferner der Ersatz der Nietung an Wagenkasten und Drehgestellen durch Schweißung. Die früher eingebauten Quergepäcknetze wurden verlassen und bei den neueren Zügen durch Längsgepäcknetze ersetzt.

Der Fahrstrom wird der dritten Schiene mit Hilfe von je zwei an jeder Seite des Viertelzuges angeordneten Stromabnehmern entnommen und über eine Hauptsicherung von 800 A dem Motorstromkreis zugeführt. Er fließt über die Spule des Überstromauslösers zu den beiden Kontakten des Hauptschützes. Dieses ist das Abschaltorgan des Starkstromkreises und übernimmt sowohl die normale Abschaltung der Motoren als auch den Schutz gegen Überlastungen irgendwelcher Art. Bei älteren Wagen war es druckluftbetätigt, bei den neueren werden dagegen nur noch elektromagnetische Schütze verwendet.

Die Fahrmotoren jedes Triebwagens sind zu je zwei in den beiden Drehgestellen untergebracht (Bild 7). Die beiden Motoren eines Drehgestells sind dauernd hintereinander geschaltet. Es sind vierpolige Tatzmotoren, die sich mit Wickelfedern gegen den Hauptquerträger des Drehgestells abstützen. Sie treiben über ein einseitig angeordnetes Getriebe mit Geradverzahnung und einem Übersetzungsverhältnis von 4,25 zu 1 die Achse an. Das Gewicht des Motors mit Getriebe und Zahnradschutzkasten ist 1710 kg. Die Motoren sind selbstbelüftet. Ein Lüfterrad auf der Kommutatorseite saugt die Luft durch den Motor und wirft sie radial aus.

Die Fahrmotoren werden durch das Nockenschaltwerk gesteuert. Es sind insgesamt 13 Anfahrstufen vorhanden. Auf Stufe 1 liegen alle Motoren mit ihren Widerständen in Reihe. Diese Stufe dient auch als Rangierstufe. Nach Abschalten der Widerstände liegen auf Stufe 6 die Fahrmotoren zunächst mit vollem Feld in Reihe. Die beiden nächsten Stufen sind Feldschwächungsstufen. Stufe 9 ist die erste Parallelstufe, auf ihr liegen nur je zwei Motoren mit den dazugehörigen Widerständen in Reihe. Stufe 12 und 13 sind dann wieder Feldschwächungsstufen. Das Nockenschaltwerk war früher mit Druckluft betätigt. Es hat neuerdings elektromotorischen Antrieb erhalten (Bild 8). Der Steuermotor läuft nur, solange das Schaltwerk arbeitet. Das stufenweise Weiterschalten wird durch ein Klinkwerk veranlasst, welches vom Stromwächter gesteuert wird.

Die Steuerung der Berliner S-Bahn-Viertelzüge ist vollautomatisch. Der Führer drückt einen Knopf, der einen Steuerstromkontakt schließt und damit den Anfahrvorgang selbsttätig, von Stromwächter überwacht, einleitet. Beim Loslassen des Knopfes werden Fahrmotoren abgeschaltet. Die Steuerleitungen sind zu Kuppelkästen an den Kuppelköpfen der Scharfenbergkupplungen geführt. Sie werden entsprechend der Stellung der mechanischen Kupplung selbsttätig ge- oder entkuppelt.

Der Steuerstrom für die Fahrsteuerung und auch teilweise für die Steuerung der Hilfsbetriebe wird der Starkstromzuführung entnommen und den Apparaten über Vorwiderstände zugeführt. Bei den älteren Lieferungen wurde auch die Beleuchtung mit Stromschienenspannung betrieben. Bei neueren Viertelzügen ist jedoch eine besondere Niederspannungsanlage in Gestalt eines Umformers und einer Batterie für 48 V vorgesehen. Mit ihr werden die Beleuchtung, und auch sonstige geeignete Hilfsstromkreise, wie Steuerung der Druckluftbremse, Fensterwischer usw. versorgt. Die Heizung der S-Bahn-Wagen ist als Widerstandsheizung ausgeführt, die bei neueren Wagen selbsttätig geregelt wird. Jeder dieser Wagen hat zudem noch einen Lüfter, der die Fahrgasträume entlüftet.

Die Berliner S-Bahn-Viertelzüge haben sich in der geschilderten Form in den bisherigen Betriebsjahren gut bewährt. Kleine Änderungen, wie Übergang von der druckluftbetätigten zur elektrischen Steuerung, Anwendung der Schweißung, bessere Ausgestaltung des Wageninneren waren weniger durch die technische Notwendigkeit als vielmehr durch technische Fortentwicklung bedingt. Zur Zeit wird jedoch eine neue Bauart von Viertelzügen entwickelt, die gegenüber der bisherigen grundsätzlichen Änderungen zeigt. Diese Entwicklung ist in erster Linie durch den Wunsch eingeleitet worden, elektrische Bremsung der Viertelzüge und weitgehende wagenbauliche Verbesserungen durchzuführen. Die jetzige Klotzbremse ergibt bei dem scharfen Verkehr und der dichten Zugfolge einen sehr hohen Verschleiß von Bremsklötzen, der dem Gedanken Raum gab, die Züge elektrisch zu bremsen. Die Verwirklichung dieses Gedankens bedingt andererseits eine durchgreifende Änderung der Fahrmotoren und der Steuerung, so dass bis zur vollständigen Umgestaltung der elektrischen Ausrüstung kein weiter Schritt mehr ist. Der Wagenkasten wird in neuzeitlicher Leichtbauweise ohne Anwendung der üblichen Lang- und Querträger aufgebaut und ist bei geringerem Gewicht bedeutend widerstandsfähiger. Die Grundrisseinteilung der Fahrgasträume wird in der bewährten Form beibehalten. Diese Umstellung im Aufbau der Fahrzeuge wird dadurch erleichtert, dass der Bau eines zweiten Unterhaltungswerkes für die Berliner S-Bahn in Angriff genommen worden ist. Dieses soll die neuen Wagen aufnehmen, der Fließgang bei der Ausbesserung der bisherigen Fahrzeuge wird also durch die neue Bauart nicht gestört. Bei der in Zukunft zu erwartenden weiteren großen Ausdehnung des Berliner S-Bahn-Verkehrs werden diese Neuerungen noch bei einem großen Fahrzeugpark angewendet werden können.

 

  1. Elektrische Bahnen I (1925), Seite 215, Eberl, Die neuen Triebwagenzüge der Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen.
  2. Elektrische Bahnen II (1926), Seite 326 und ff., Laufende Mitteilungen über den Stand der Elektrisierung der Berliner S-Bahn
  3. Elektrische Bahnen IV (1928), Seite 32, Wagner, Die elektrischen Triebwagenzüge für die Berliner Stadtbahn.
  4. Verkehrstechnische Woche 1930, S. 559, Ein Jahr elektrisierte Berliner S-Bahn
  5. Elektrische Bahnen VII (1931), S. 257 Schieb, Betriebsergebnisse der Berliner S-Bahn im Jahre 1930
  6. Elektrische Bahnen XI (1935), S. 172 Breuer und Lichtenfeld, Neue Triebwagen für die Berliner S-Bahn, Probezüge 1934/35
  7. Zeitschrift des VDI XII (1936), S. 884, Schulz-Hohenhaus, Neue Züge für die Berliner S-Bahn